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Vorbeugung ist besser als Nachsorge

Martha Ohnemus-Wolf und Oliver Kaiser zu Gast bei „SPD im Dialog“


Offenburg. Sucht und Obdachlosigkeit und die Legalisierung von Cannabis waren Thema bei „SPD im Dialog“ am Dienstag, den 26. März 2024 im Familienzentrum Innenstadt. Oliver Kaiser, Geschäftsführer des Landesverbandes für Prävention und Rehabilitation sowie die Offenburger Fachstellenleiterin BWLV Sucht, Martha Ohnemus-Wolf, referierten auf Einladung von Sebastian Henties und des SPD-Ortsvereins Offenburg. „Auf Themen wie Sucht und Obdachlosigkeit aufmerksam zu machen, liegt in der DNA der SPD“, sagte Henties, Vorstandsmitglied und SPD-Kreistagskandidat, in seiner Begrüßung.





Beide beschäftigt die neue Regelung zur Freigabe von Cannabis, und beide sehen sowohl positive wie negative Aspekte.  Der Grund für die Freigabe unter strengen Gesichtspunkten sei das Scheitern der Drogenpolitik in Deutschland, erklärte Oliver Kaiser. Rund 4,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 64 konsumierten Cannabis, acht Prozent der 12- bis 17-Jährigen. Strafandrohungen hätten somit keinen Einfluss auf die Prävalenzrate. Als positiv betrachten sie den Aspekt des verbesserten Gesundheitsschutzes und die relative Entkriminalisierung. Die Freigabe bis 25 Gramm Cannabis (Besitz und Mitführen) für Erwachsene sowie das Recht auf Eigenanbau (drei Pflanzen für Erwachsene) könnten den Schwarzmarkt zurückdrängen, auf dem oft genug Cannabis mit fragwürdigen Inhaltsstoffen verkauft werde. 

Verboten sei aber nach wie vor die Weitergabe an Kinder und Jugendliche, die Strafen bei Nichtbeachtung der Verbote seien erhöht worden.

Das Gesetz sei daher gut gemeint, doch für die Experten war die Frage nicht geklärt, wer die Einhaltung der sehr detailliert ausgeführten Regelungen kontrollieren soll und wie.

Andererseits, so Kaiser und Ohnemus-Wolf, hätten User – darunter Kinder und Jugendliche - über das Internet längst ihre Bezugsquellen für synthetische Cannabinoide.

Gegen die Freigabe von Cannabis, das wurde auch aus dem Zuhörerkreis deutlich, spreche, dass der regelmäßige Verzehr die neurophysiologische Entwicklung des Gehirns beeinträchtigt, wobei anzumerken sei, dass das Gehirn erst im Alter von 25 Jahren voll ausgebildet sei. Der Konsum von Cannabis sei nicht harmlos, betonten die Referenten, er führe aber zu Depressionen; Alkohol sei jedoch gefährlicher. Die Suchtquote bei Cannabis liege bei 300.000, bei Alkohol bei zwei Millionen.

Deswegen sei es so ernüchternd, dass der Bund wenig oder keine Mittel für die so notwendige Suchtprävention zur Verfügung stelle.





In der Fachstelle Sucht in der Grabenallee 5 in Offenburg finden Suchtkranke, deren Angehörige und Kinder Beratung, großen Anteil hätten Beratungsgespräche für Arbeitgeber und Führungskräfte – neben Gesundheitsvorsorge gehe es unter anderem um den Arbeitsplatzerhalt. Man vermittele Therapien und biete ambulante Behandlungen an. Die Substitutionsbegleitung finde in einer Schwerpunktpraxis statt. Seit 2018 unterhält die Fachstelle eine Kindergruppe, in der Kinder die Suchtproblematik ihrer Eltern verarbeiten können. Großen Erfolg verzeichne man bei den „KT-Kursen“, ein Angebot für Alkoholkranke, die mit Abstinenztherapien Probleme haben, so Martha Ohnemus-Wolf. Reduzieren statt aufhören funktioniere auch bei Drogensucht, sagte sie auf Anfrage aus dem Publikum. 

Wie viele Süchtige tatsächlich obdachlos seien, könne man nicht sagen, so die Referenten, man wisse aber um die „versteckte Obdachlosigkeit“. Etwa, wenn jemand wegen der Meldeadresse bei einem Dritten gemeldet ist. Was nun die Suchtberatung und -therapie in diesem Zusammenhang betrifft, halte man es mit dem Slogan „housing first“. Die Unterbringung an einem für den Süchtigen sicheren Ort stehe vor dem Beginn der Suchttherapie. Die Versorgung dieser Gruppen werde jedoch durch die sinkende Zahl an Wohnungen im sozialen Wohnungsbau immer schwieriger. Mit dem Stichtag 30.9. wurden 316 Suchtkranke gezählt, davon seien 17 prekär untergebracht; erschütternd, so die Referenten, sei der hohe Anteil an Frauen.

Suchttherapie sei ein langer Prozess, dem über viele Jahre viele Selbstversuche vorausgingen, so die Referenten. Doch sie lohne sich.




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